Wegen Besorgnis der Befangenheit kann nach § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Richter abgelehnt werden. Die Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Grund gegeben ist, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters anzunehmen. Wenn das Gericht die Besorgnis der Befangenheit für begründet erachtet, scheidet der Richter aus dem Prozess aus.
In Hamburg wurde die gesamte Kammer 16 des Verwaltungsgerichts für befangen erklärt. Diese Kammer (3 Richter*innen) ist u.a. zuständig für Klagen der syrischen Staatsangehörigen, die gegen ablehnende Asylbescheide des BAMF oder sonstige Entscheidungen in ihren Asylverfahren klagen. In rund 186 Verfahren, in denen syrische Staatsangehörige mit subsidiärem Schutz auf den vollen Flüchtlingsschutz geklagt hatten, wurden Anträge auf Befangenheit gestellt.
Befangenheitsanträge gegen Kammer des Verwaltungsgerichts
Diese Anträge beruhen auf folgendem Sachverhalt:
Die Kammer 16 des Verwaltungsgerichts hat klagende syrische Staatsangehörige nach einer negativen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 1. Senat, Urteil vom 11.01.2018, 1 Bf 81/17.A) angeschrieben, ob sie ihre Klage nicht zurücknehmen wollten. Sie haben in Aussicht gestellt, dass u.U. die Prozesskostenhilfe beschränkt wird und dann nicht mehr die mündliche Verhandlung umfassen soll.
Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil des OVG noch nicht veröffentlicht. Daraufhin haben mehrere Anwält*innen Befangenheitsanträge gegen die ganze Kammer gestellt. Über diese Anträge hat nun eine andere Kammer entschieden. Bei einigen Anwält*innen sind nun die ersten Beschlüsse eingegangen, in denen die Befangenheitsanträge gegen die ganze Kammer für begründet erklärt worden sind.
Dass gleich eine ganze Kammer eines Gerichts für befangen erklärt wird, ist nicht häufig. Noch ist nicht geklärt, wie die Verfahren fortgeführt werden. Eine andere Kammer für Verfahren von syrischen Staatsangehörigen beim Verwaltungsgericht gibt es nicht in Hamburg. Eine solche müsste erst bestimmt werden.
Was Asylbewerber tun sollten
Diejenigen, deren Verfahren vor dieser Kammer in Hamburg anhängig sind, und den Antrag auf Befangenheit gestellt haben, sollten sich mit ihren Anwält*innen in Verbindung setzen. Eine Ablehnung wegen Befangenheit gilt grundsätzlich nur für die Verfahren, in denen dieser Einwand erhoben wurde.
Ich würde aber auch denjenigen raten, die noch keinen Antrag auf Befangenheit gestellt haben, sich mit ihren Anwält*innen oder der ÖRA (Dammtorstrasse 14,20354 Hamburg, 040 428433071) in Verbindung zu setzen.
Da diese ganze Situation neu ist, wird sich erst in der nächsten Zeit zeigen, ob nur diejenigen einen anderen Richter/Kammer für ihr Verfahren bekommen, die bereits einen Befangenheitsantrag gestellt haben. Oder ob es eine ganz neue Kammer am Verwaltungsgericht Hamburg geben wird, die über Verfahren urteilt, die syrische Staatsangehörige betreffen. Es wird auf jeden Fall immer individuelle Entscheidungen geben, und keine kollektiven.
Wie sind alle gespannt, wie die Verfahren auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus in Hamburg weitergehen werden!